Mit dem Gleitschirm unterwegs am Kap der Träume
Wäre ich abergläubisch, müsste ich bei diesem Urlaub ein ungutes Gefühl haben. Bin ich doch nun schon zum 13. Mal mit meiner Frau Petra in Südafrika unterwegs. Als eher sachlicher Mensch freue ich mich aber schon bei der Ankunft am Flughafen in Kapstadt auf die tollen Erlebnisse, die uns die nächsten Wochen in der Kapregion bringen sollen. Dabei ist nicht nur Paragleiten angesagt, sondern auch Wandern, Relaxen und natürlich das Kennenlernen von Land und Leuten. Denn darum geht es im Urlaub doch in erster Linie – liebe Menschen zu treffen und seinen Horizont zu erweitern.
Ich will natürlich aber auch meinen Gleitschirm ein wenig auslüften und so geht es gleich direkt vom Airport in den kleinen Ferienort Hermanus rund eineinhalb Autostunden östlich von Kapstadt. Dort erwarten uns schöne Strände, nette Lokale, eine hervorragende Weinregion und ein kleines, aber feines Fluggebiet. Die meisten europäischen Piloten machen auf ihrem Weg von oder zum Fliegereldorado Gardenroute einen kurzen Zwischenstopp an der Kante über dem Ort. So lange wie wir bleiben aber die wenigsten, sind die Flugmöglichkeiten im Gegensatz zu anderen südafrikanischen Gebieten doch eher begrenzt und ein wenig Wetterglück ist auch notwendig. Mir ist das Glück in den nächsten Tagen hold und so komme ich gleich mehrfach zu tollen Flügen am Meer. Bei herrlichen Ausblicken auf die Umgebung ist dabei eine Mischung aus Thermik und Soaren angesagt. Lässt der Aufwind nach oder wird der Durst zu groß, landet man einfach wieder am Startplatz ein. Einfacher geht es kaum. So vergehen die ersten Tage sprichwörtlich wie im Flug und das Fliegerkonto ist schon auf der ersten Station unserer Reise gut gefüllt.
Schweben auf Wolke neun
Frohen Mutes geht es nach einer Woche weiter in den Sehnsuchtsort der meisten europäischen Flugtouristen – an die Gardenroute mit ihren zahlreichen Startmöglichkeiten zwischen Wilderness und Knysna. Ich kenne das Gebiet von einigen früheren Aufenthalten schon ganz gut und bin daher nicht mehr ganz so euphorisch. Zwar sind die stundenlangen Soaringflüge an der Paradise Ridge oder an der Kante bei Brenton Entspannung pur, aber mit der Zeit wird das nicht sehr anspruchsvolle Hin und Her-Polieren dann doch ein klein wenig fad. Da ist es gut, dass am Vormittag der Startplatz Cloud 9 bei Sedgefield auch mit Thermik lockt. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Erfahrene Piloten können hoch aufdrehen, während viele Anfänger schon nach ein paar Minuten absaufen und von ihren Guides wieder am Landeplatz abgeholt werden müssen.
Wenn der Seewind ab Mittag zunimmt, verlässt die internationale Fliegerkarawane Cloud 9 und zieht an die Küste, wo wieder endloses Soaren angesagt ist. Leider kommen in den letzten Jahren immer mehr ausländische Flugschulen mit Ihren Schützlingen an die Gardenroute, sodass es in der Hauptsaison oft ziemlich eng werden kann. Mich plagen diesmal aber nicht Pilotenmassen, sondern das für diese Jahreszeit untypisch wechselhafte Wetter. Traumhafte Sonnentage wechseln mit Regentagen, vereinzelt vergällt heftiger Wind jenen Piloten, die wie ich keinen Minischirm im Gepäck haben, die Freude am Fliegen. Aber auch wenn ich nicht wie manche „Vollzeitflieger“ bei jedem Wetter den ganzen Tag am Startplatz auf das richtige Flugfenster warte, komme ich dennoch zu einigen schönen Flügen. So habe ich mein fliegerisches Soll, das ich mir für die heurige Reise vorgenommen habe, schon erfüllt, als wir uns auf die lange Fahrt nach Citrusdal nördlich von Kapstadt machen.
Streckenflugdorado Porterville
Citrusdal – ein Ort zum Träumen. Das Tal, in dem der Ort liegt ist voll von – na was wohl – Zitronenplantagen. Auch der inzwischen bei uns beliebte Roiboos-Tee wächst hier. Rundum erheben sich die malerischen Cedarberge bis über 2500 Meter. Unser kleines Cottage auf einer netten Zitronen-Farm liegt in absoluter Alleinlage, erreichbar nur über einen schmalen Sandweg. Am Abend bietet sich von hier oben ein herrlicher Blick auf das Tal und die umliegenden Gipfel, die im Abendlicht leuchten. Zwar gibt es bei Citrusdal auch einen kleinen Startplatz für Schirmflieger, ich aber fahre lieber in das rund 30 Minuten entfernte Porterville. Dort bietet das Team der Flyers Lodge ein perfektes Rundumservice für Streckenflieger an. Ich persönlich nehme aber nur die Bergfahrt im Geländeauto in Anspruch, da ich nicht allzu weit weg fliegen möchte. Schließlich will ich nach den Flügen mit Petra auch noch die Gegend erkunden.
Der Startplatz an der langen Kante, die bei Porterville eine scheinbar endlose Ebene begrenzt, ist mustergültig hergerichtet. Nagelneue Matten verhindern , dass sich die Leinen im Gestrüpp verheddern oder sich im Kampf mit den allgegenwärtigen Steinen ins Nirwana befördern. Im Vorfeld hatte ich angesichts der vielen Geschichten über die ruppige Thermik und die heftigen Ablösungen am Startplatz fast ein wenig Bammel vor dem Gebiet. Aber als Frühstarter kann man den wildesten Bedingungen ganz gut entgehen. In der Luft verbiegt sich mein Flügel in den engen Bärten zwar manchmal etwas wilder als mir lieb ist, aber die Bedingungen bleiben immer beherrschbar. Und wer den Flugtag nicht allzu lange hinaus zögert, vermeidet auch Rückwärtslandungen im Starkwind, der hier fast jeden Nachmittag einsetzt.
Für die meisten Piloten bedeutet Porterville Strecke zu machen. Die Kante selbst ist nach Westen ausgerichtet, der Wind kommt an normalen Tagen aus Südwest und dreht im Lauf des Tages immer mehr auf Süd. Es liegt daher in der Natur der Sache, dass die Steckenflüge vorwiegend nach Norden gehen. Wer sich gegen den Wind zurückkämpfen will, hat dabei eher schlechte Karten. Auch ich muss am letzten Flugtag erkennen, dass es hier leichter ist auf Strecke zu gehen, als nur lokal zu fliegen. Nachdem ich mich mit der Thermik ein wenig nach Norden versetzen lassen habe, will ich entlang der Kante gegen den Wind zurück zum Auto fliegen. Bald aber muss ich einsehen, dass das wohl nichts wird. Meter um Meter vernichte ich die zuvor mühsam erarbeitete Höhe, während ich kaum vorwärtskomme. So versuche ich es im Flachland. Hat man mir doch erzählt, dass die Thermik dort genauso gut ist wie an der Kante, nur ruhiger. Am Vortag habe ich im Flachen auch tatsächlich einen der tiefsten Low Safes meiner Fliegerkarriere erleben dürfen. Aber heute ist es wie verhext. Auch die typischen Abrisspunkte in der Ebene lassen mich schmählich im Stich und so muss ich neben einer Farm landen und die letzten Kilometer zu Fuß bewältigen. Mein erster Absaufer in diesem Urlaub, und das am letzten Flugtag!
Meine Bilanz ist aber dennoch mehr als positiv. Südafrika ist auf jeden Fall eine Reise wert – sei es für Naturliebhaber, Feinschmecker, Weinliebhaber oder für Flieger. Wer all die Erlebnisse, die dieses Land bietet, auskostet, wird unvergessliche Augenblicke mit nach Hause nehmen können. Besonders die touristisch noch nicht so überrannten Gebiete wie Citrusdal begeistern uns immer wieder. Und fliegerisch ist die Gegend um Porterville ohnehin erste Klasse. So beschließen Petra und ich gleich bei unserer Abreise, so rasch als möglich wieder in das schöne Land am Kap zu kommen.
So wird es wohl bald wieder heißen:
Hallo du schönes Land – Sawubona Südafrika!