La Reunion – von Gerhard Steininger
Walter Wagner_mein_Reisebegleiter_1992Mitten im Indischen Ozean liegt ein kleines Tropenparadies, das für alle abenteuerlustigen Urlauber – seien es Wanderer, Kletterer, Surfer oder Biker – etwas zu bieten hat: die Insel La Reunion. Steile Felsküsten wechseln mit schönen Stränden, schroffe Berggipfel liegen neben sanften Hügeln und dichter Regenwald grenzt an weite Lavawüsten. Für Paragleiter gibt es hier einige der spektakulärsten Startplätze der Welt. Die Mitglieder von Hang Loose haben diese Trauminsel schon mehrmals besucht und gewaltige Eindrücke mit nach Hause genommen. Hier ein Bericht von Gerhard Steininger nach seinem dritten Inselaufenthalt 2004:
„Was für ein herrlicher Genuss! In T-Shirt und Short stehe ich mit meiner Frau Petra am Startplatz Colimacon, während daheim im europäischen Winter die Leute frieren müssen. Fast fühlen wir uns ein bißchen wie nach Hause zurückgekehrt, waren wir doch schon Jahre zuvor auf Flugsafari im französischen Überseedepartement Reunion. Als ich Freunde erstmals von diesem Eiland erzählen hörte, konnte ich die Schilderungen kaum glauben. Schön und wild sollte die Insel sein und darüber hinaus auch beste Bedingungen für Paragleiter bieten. Bald konnte ich mich selbst von den zauberhaften Reizen der grünen Insel überzeugen und Erinnerungen an traumhafte Flüge mit nach Hause nehmen. Was blieb, war eine starke Sehnsucht nach der fernen Perle im Indischen Ozean.
Reger Flugbetrieb am Colimacon
Und jetzt blicke ich endlich wieder vom Startplatz auf das 800 Höhenmeter tiefer gelegene Meer. Das Fluggelände Colimacon ist bestens für den Einstieg in das Inselfliegen geeignet. Ein eigener Parkplatz für Landeplatz am_Meer_im_Fluggebiet_Colimacondie Piloten, der große Aufbauplatz für die Drachen und der schöne Take-Off lassen trotz des regen Flugbetriebes kein Gefühl der Enge aufkommen. Einheimische Vorflieger gibt es en masse und der Landeplatz am Strand ist auch für weniger geübte Piloten groß genug.
Nur die riesigen Dornenfelder im unteren flachen Hangteil flößen bei zu geringer Abflughöhe zum Strand etwas Respekt ein. Bei meiner ersten Reise nach Reunion konnte ich mich davon überzeugen, was eine Landung in diesem Dornendschungel bedeutet. Nach einer unfreiwilligen Außenlandung musste ich mich damals 5 Stunden lang bis zur nur wenige 100 Meter entfernten Straße durchkämpfen – und hatte danach einige Schrammen zu pflegen. Inzwischen sind mir die Tücken des Fliegens in dieser exotischen Landschaft aber besser vertraut. Schnell habe ich meinen Schirm ausgelegt und bin kurz danach gestartet. Im Nu ist der Startplatz überhöht, und ich ziehe lautlos meine Kreise unter der tiefen und dunklen Wolkenbasis, bevor ich durstig am hellen Sandstrand lande.
Mit der rasch aufziehenden Bewölkung, die sich im Zentrum der Insel schon früh am Tag bildet, muss man sich auf Reunion ohnehin bei jedem Flug auseinander setzen. Während das Fliegen an der Küste meist den ganzen Tag möglich ist, sieht die Sache im Landesinneren schon anders aus. Man muss meist sehr zeitig aufstehen, um in den Genuss der fliegerischen Höhepunkte zu kommen.
Maido – ein Traum wird wahr
Ein solches Highlight für Paragleiter – den Flug vom Maido – habe ich bereits auf meiner ersten Reunion-Reise kennengelernt. Der Startplatz liegt auf rund 2.000 Meter Bilderbuchflug am_Indischen_Ozeanhoch über dem zerklüfteten Talkessel vom Mafate. Allein der gigantische Ausblick in dieses unzugängliche Tal weit unten ist die lange Auffahrt wert.
Ist man bei den ersten Thermikansätzen um ca. 8 Uhr früh dann gestartet, folgt man der langen, dicht bewaldeten Kante in Richtung Meer. Die ersten Kilometer gibt es dabei keinen vernünftigen Landeplatz, was den Flug zu einem gewissen Nervenkitzel werden lässt. Aber die rasch stärker werdende Thermik lässt einem meist nicht im Stich und so kommt man gut voran. Ein Erlebnis besonderer Art ist dieser kleine Streckenflug über rund 20 Kilometer vom Maido zur Küste bei Le Port allemal. Beim Gleiten über dem smaragdgrünen Urwald fühlt man sich wie in eine andere Welt versetzt. Doch zuviel Träumerei kann sehr ungesund sein! Die schon früh am Vormittag sehr heftigen thermischen Bedingungen verlangen höchste Konzentration und Schirmbeherrschung von den Piloten. Sonst findet man sich nach einem großflächigen Einklapper rasch in der dichten Vegetation wider.
Leider passen diesmal die Bedingungen für einen gefahrlosen Flug nicht und so schleppe ich schweren Herzens den Schirm wieder zum Auto zurück, statt mich von ihm ans Meer tragen zu lassen.
Abenteuer Salazie
Beinahe noch schöner als am Maido ist ein Flug im Talkessel von Salazie. Nach dem Start in einer abenteuerlichen Steilrinne neben der Straße zum Aussichtspunkt Le Belier liegt einem rasch das ganze Tal zu Füßen. Bald sind ohne große Mühe die umliegenden Gipfel überflogen, während im Hintergrund der höchste Berg Reunions, der Piton des Neiges, eine malerische Kulisse abgibt. Doch auch hier heisst es Umsicht zu bewahren und bald genug zu landen. Sonst lässt die brodelnde Thermik den Landeanflug auf den kleinen Sportplatz im Ort Grand Ilet zu einem Lotteriespiel werden.
Auch Genussflieger kommen zum Zug
Während Maido und Salazie eher etwas für erfahrene Piloten sind, ist der Flug vom Piton Textor auch den Geniessern zu empfehlen. Bereits früh am Morgen sind Petra und ich über das Plaine des Caffres zum Gipfel hochgefahren. Direkt hinter der großen Sendeanlage liegt der kleine, aber einfache Startplatz. Blick_auf_den_Startplatz_Colimacon_800Es ist noch herrlich klar um diese Tageszeit und ich genieße den Blick auf die grüne Hochebene des Plaine des Palmistes, wo ich landen will. Nach dem Start trägt mich die sanfte Thermik über die dichten Wälder hinunter zu meiner Landewiese.
Wie in manchen anderen Fluggebieten Reunions ist man auch am Textor meist alleine unterwegs. So ist es nicht verwunderlich, dass manchmal der Besitzer der auserkorenen Landewiese die Piloten nach der Landung geradezu überschwenglich begrüßt und eine Zeitlang mit ihnen plaudert. Bei mehr Flugbetrieb wäre es mit dieser Begeisterung für unseren Sport wohl schnell vorbei.
Am nächsten Tag hat mich der Trubel wieder eingeholt. Pausenlos karren die örtlichen Flugschulen ihre Gäste auf den Startplatz Colimacon, um mit ihnen per Tandemschirm ans Meer zu fliegen. Der phantastische Blick über die Lagune, in der sich manchmal auch Delfine tummeln, lässt mich immer wieder aufs Neue schwach werden. So muss meine Rückholerin Petra in den sauren Apfel beissen und mich zum wiederholten Male über die vielen Serpentinen zum Startplatz bringen.
Besonders reizvoll sind dabei die Flüge kurz vor Tagesende, wenn die untergehende Sonne die Landschaft in tiefes Orange taucht. Bei guten Weinen und einheimischen Spezialitäten lassen wir dann gemeinsam diese unvergesslichen Tage ausklingen.
Ruhige Flüge am Dos d`AneAm Start des Dos d Ane
Wer es beim Fliegen etwas ruhiger mag, für den ist der Dos d`Ane bei Le Port ideal. Der Startplatz ist über eine kurvenreiche Straße und nach einem kurzen Fußmarsch leicht erreichbar – Meeresblick und Platz für mehrere Schirm inklusive. Um so verwunderlicher, dass hier kaum andere Piloten anzutreffen sind. Bereits am frühen Vormittag geht thermisch die Post ab und ich habe schnell die Basis erreicht. Um circa 10 Uhr ist der höher gelegene Startplatz Maido auf der anderen Talseite bereits hinter einer Wolkenbank verschwunden.
Nach einem langen Flug lande ich im ausgetrockneten Bachbett des Riviere des Galets. Die vielen großen Steine machen eine exakte Landeeinteilung notwendig, will man nicht die örtliche Unfallversorgung kennen lernen. Und dazu habe ich absolut keine Lust. Ich lande aber sicher und warte zufrieden auf meine gute Fee Petra, die wieder einmal Chauffeurin spielen muss.
Geheimtipp Les Makes
Ein besonderer Tipp für Piloten, die der Hektik der überfüllten Fluggebiete wie Ueber dem_Urwald_bei_Les_MakesColimacon entfliehen wollen, ist das Fluggebiet Les Makes oberhalb von St. Louis. Über eine Schotterstraße kommt man etwas mühsam zu den zwei Startplätzen auf 1500 und 2000 Meter Meereshöhe. Dafür ist man hier meistens ganz allein oder nur mit dem einen oder anderen Einheimischen aus der näheren Umgebung unterwegs. Der Flug selbst braucht keinen Vergleich mit den anderen Gebieten auf Reunion zu scheuen und bietet eine gewaltige Aussicht auf die umliegenden Berge und das ein Stück entfernte Meer. Für mich hat sich Les Makes jedenfalls zu einem der interessantesten Fluggebiete im Tropenparadies entwickelt. Allerdings verzichte ich aus Rücksicht auf Petra wegen der langen Auf- und Abfahrten auf den Schotterwegen auf allzu viele Flüge von hier.
Gigantische_DuscheParadies für Wanderer
Reunion hat aber nicht nur für Piloten, sondern auch für Nichtflieger eine Menge zu bieten. So sind wir immer wieder begeistert über die zahlreichen Wasserfälle und Bassins, in denen sich herrlich baden und relaxen lässt. Manche dieser Naturschauspiele sind ganz bequem mit dem Auto zu erreichen, für andere wie das Grand Bassin sind aber längere Fußmärsche notwendig.Perfekte_Abkuehlung
Für Wanderer ist Reunion sowieso ein Paradies der Sonderklasse. Selbst bei einem längeren Aufenthalt gibt es in den drei Talkesseln, die das Zentrum der Insel bilden, immer wieder neue Wege und Trails zu entdecken. Zahlreiche Gipfel über 2.000 Meter locken die Alpinisten. Der höchste davon, der Piton des Neiges mit seinen 3.070 Metern, kann auch mit dem Schirm beflogen werden. Allerdings ist der Anstieg von Cilaos sehr beschwerlich und geeignete Startbedingungen sind eher Glückssache. Wir verzichten daher auf die Besteigung und besuchen statt dessen das Gebiet des Piton de la Fournaise im Südosten der Insel. Dieser immer noch aktive Vulkan zieht zwar die Touristen in Scharen an, er sollte aber dennoch in keinem Reiseprogramm fehlen.
Wehmütiger Abschied
Leider sind auch unsere Tage auf Reunion viel zu schnell gezählt. Daher will ich noch einmal am Traumhafte AbendstimmungColimacon fliegen, allerdings nicht vom 800er, sondern vom höheren Startplatz mit 1.400 Meter Höhendifferenz. Bereits um 8 Uhr früh stehe ich auf der kleinen Startwiese. Von hier oben eröffnet sich ein gigantischer Blick auf die zahlreichen kleinen Siedlungen an den grünen Hängen und auf die unendliche Weite des Indischen Ozeans. Bevor die ersten Wolken die freie Sicht trüben können, bin ich auch schon gestartet und genieße einen langen, ruhigen Gleitflug bis zum Landeplatz bei St. Leu, bevor es zurück in die ferne Heimat geht.
Als wir bei trübem Wetter in Österreich aus dem Flugzeug klettern, da spüren es Petra und ich wieder: Das Gefühl von Fernweh und die Sehnsucht nach einem kleinen Paradies im Indischen Ozean. Reunion war und ist sicher eine Reise wert. Und eines Tages werde ich wieder vom Maido in den Talkessel von Mafate blicken oder nach einem Flug vom Colimacon über dem blauen Meer Höhe abbauen.
Denn eines ist sicher: seinen Träumen kann man nicht entfliehen. Man muss sie leben!“